Karlheinz Löw, AOK Hessen

Seine Personalpolitik: Die Erwartungen aller Seiten managen

Auch eine individualisierte Personalpolitik muss nicht jeden individuellen Wunsch zur Vereinbarkeit möglich machen, sagt Karlheinz Löw von der AOK Hessen. Aber im offenen Dialog werden oftmals ganz unerwartete Spielräume sichtbar.

Herr Löw, Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben ist bei Ihnen im Handlungsfeld „Kultur, Vielfalt und Zusammenarbeit“ angesiedelt. Warum?

Familiäre und private Belange sind für uns Aspekte der Verschiedenheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zwar Entscheidende. Einerseits benötigen Beschäftigte andere Rahmenbedingungen, wenn sie zum Beispiel Kinderbetreuungs- oder Pflegeaufgaben übernehmen, andererseits hat das Unternehmen ein Interesse daran, alle Potenziale zu nutzen. Das heißt unterschiedliche Erwartungen an die Vereinbarkeit von Beruf und Familie optimal zu managen. Wir wollen eine Unternehmenskultur, in der sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohl fühlen und sich einbringen können. Die Hauptabteilung Personal- und Ressourcenmanagement schafft unter anderem das Umfeld dafür, damit die Beschäftigten Beruf, Familie und Privatleben mit unterschiedlichen Lebensentwürfen gut miteinander vereinbaren können.

Welches Ergebnis der Studie hat Sie am meisten überrascht?

Wir haben einen guten Überblick darüber, was unsere Beschäftigten bewegt, weil wir regelmäßige Befragungen durchführen. Überraschend war jedoch, wie viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Studie teilgenommen haben, immerhin hatten fast 50% unserer Stichprobe keine Familienaufgaben im engeren Sinne. Die Vereinbarkeit ist jedoch allen sehr wichtig. Die Studie bestätigt uns daher in unserer Strategie und der Einschätzung, dass es heute nicht mehr darum geht, ob sich Vereinbarkeit von Beruf und Familie für ein Unternehmen rechnet, sondern darum, ob es sich ein Arbeitgeber zukünftig leisten kann, darauf zu verzichten.

Was würden Sie heute sagen: Wie nah sind Sie an den Bedürfnissen Ihrer Beschäftigten?

Sehr nahe, die Beschäftigten haben uns in der Studie diesbezüglich ein gutes Zeugnis ausgestellt, auch explizit unseren Führungskräften. Das hat uns sehr gefreut. Es geht aber nicht darum, wie gut wir heute sind, sondern wie wir uns aufstellen müssen, damit wir morgen weiterhin erfolgreich sind. Neue Formen der Arbeitsorganisation werden neue Chancen bieten, Vereinbarkeit zu gestalten. Es ist für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr attraktiv, wenn wir dabei das Thema Lebensentwurf von Anfang an mitdenken. Insofern ist das jetzt genau der richtige Zeitpunkt. Wir arbeiten aktuell daran, Tools für Führungskräfte zum lösungsorientierten Umgang mit individuellen Vereinbarkeitsanliegen zu entwickeln, wir haben ein Projekt aufgelegt, das sich speziell der flexiblen Arbeitsorganisation für Führungskräfte widmet und wir fördern „Zweitkarrieren“.

Gibt es für Sie eine Grenze zwischen Individualisierung und Beliebigkeit?

Die gibt es mit Sicherheit und zwar nach oben und nach unten. Nach unten hätten wir die Diktatur des Unternehmens, nach oben die der jeweiligen Individuen. Unser Kerngeschäft besteht natürlich darin, eine Versicherungsleistung zu erbringen und für unsere Versicherten da zu sein. Aber das Mittelfeld wollen wir ausloten, hier gibt es noch Spielraum. Deshalb ist der Dialog mit allen Beteiligten darüber so wichtig und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwarten dies. Ein zeitgemäßer und wertschätzender Umgang mit Vereinbarkeitsanliegen ist nicht nur eine Stilfrage, sondern auch ein ganz betriebswirtschaftliche.

Karlheinz Löw ist Direktor Personal- und Ressourcenmanagement bei der AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen, Frankfurt am Main.